»Mriya«. Die Position der Ausführung und Souveränität Olya Lozynska

Ein Interview mit der Bratschistin Kateryna Suprun über das Projekt »Mriya« in Berlin, Musik nach dem 24. Februar, Aufführung und Management, Träume und noch größere Hoffnungen.

Dies ist ein Versuch, die Erfahrung in einer Zeit einzufangen, in der ukrainische Künstler neben dem Krieg in der Ukraine ungewöhnliche Dinge für sich selbst tun, wie etwa die Ablehnung des russischen Repertoires. Natürlich sind dies eher außergewöhnliche Phänomene, die eher in der »Facebook-Blase« als auf dem großen Markt der klassischen Musik bekannt sind.

Aber wir machen bereits kleine Schritte in Richtung großer weltanschaulicher Veränderungen, und deshalb scheint mir dieses Gespräch ein kleiner Baustein im Fundament der ukrainischen Kulturbildung in der Welt nach dem 24.02. zu sein. Und ich möchte es festhalten.

Als Flüchtlings-Musikerin in Deutschland

Kateryna Suprun: Ich bin in den ersten Tagen des großen Krieges nach Deutschland gekommen. Meine Freunde leben hier, darunter der Cellist Lev Kucher, der Sohn von Professor Ivan Kucher. Wir haben mit Lev an derselben Schule studiert, vor 10 Jahren ist er nach Deutschland gegangen, um zu studieren. Nach dem vollständigen Einmarsch begannen die Ukrainer, Verbindungen zu Freunden herzustellen, die schon früher weggegangen waren. Lev erwähnte Roman Ohem, der einer der Leiter der Stiftung Culture Connects ist, die geflüchteten Musikern Hilfe anbietet. Und wir dachten, es wäre toll, ein Team aufzubauen, vielleicht sogar ein Orchester.

So gründeten wir Ende März ein Streichorchester und nannten es »Mriya«. Das erste Konzert fand im April in Hamburg in der Laeiszhalle statt. Später beschlossen mein Team und ich, die Zusammensetzung zu erweitern und Bläser zu Konzertprogrammen einzuladen, aber zunächst begannen wir unsere Arbeit als Kammerstreichorchester.

Die Konzerte als Quartett begannen sofort, wo wir bei Wohltätigkeitsveranstaltungen zur Unterstützung der Ukraine auftraten.

Nach diesen wenigen Veranstaltungen wurden uns Auftritte in Konzertsälen in Deutschland nahegelegt und angeboten. Viele Stiftungen begannen uns finanziell zu unterstützen und wir konnten das erste große Projekt in der Laeiszhalle (Hamburg) durchführen. Es war ein Konzert mit berühmten ukrainischen Solisten – Kateryna Titova, Varvara Vasylieva, Hanna Tsurkan und mir. Das Programm des Konzerts bestand aus ukrainischer und europäischer Musik. Und am 10. Mai spielte »Mriya« ein Konzert in der Berliner

Philharmonie zusammen mit dem berühmten Geiger Andrii Belov und dem Pianisten Artem Yasinsky unter der Leitung der Dirigentin Margarita Hrynyvetska aus Odesa. Dieses Projekt wurde von der Botschaft der Ukraine in Deutschland unterstützt.

 

Посмотреть эту публикацию в Instagram

 

Публикация от Mriya Ensemble in Exile (@mriya_music)

Die Position der Ausführung und Souveränität

Wir haben von Anfang an eine Strategie formuliert: Wir spielen ukrainische Musik und Musik europäischer Komponisten. Unser ukrainisches Programm für Quartett besteht aus dem Quartett von Vasyl Barvinskyi, der »Suite über ukrainische Themen« von Borys Lyatoshynskyi und Musik von Anna Havrylets. Das Repertoire des Quartetts wird ständig aktualisiert.

Das Orchester »Mriya« kann und will keine russische Musik aufführen. Das ist jetzt unmöglich, das ist unsere radikale Position. Jetzt ist es an der Zeit, die große, tiefe ukrainische Kultur zu fördern. Das ist unsere Mission, und wir positionieren »Mriya« als ein Orchester, das ukrainische Musik fördert und darüber spricht. Eines dieser Projekte ist »Hear Twice«: Beim Konzert in Hamburg sprachen wir mit dem deutschen Musikwissenschaftler Rafael Rennike über das Werk von Boris Lyatoshynskyi, bevor wir die Quartette des Komponisten aufführten. Es war eine tiefgründige Diskussion über Musik, die in einem anderen, den meisten Deutschen unbekannten Kontext erklang. Deshalb gibt es für uns heute keine russische Musik mehr, das ist ganz einfach.

»Mriya« als Symbol

»Mriya«. Persönlich sehe ich in diesem Namen nicht nur ein berühmtes ukrainisches Flugzeug. Für mich hat der Name eine tiefe Bedeutung: Das Flugzeug wurde zerstört, aber nicht vollständig. Es steht noch, und ich denke, wir können es wieder aufbauen, obwohl ich nicht weiß, ob es noch fliegen wird. Aber »Mriya« ist eine Geschichte. Das Gleiche geschieht mit uns allen, mit der ganzen Ukraine. Egal, wie kaputt wir sind, wir geben nicht auf. Dies ist auch die Geschichte vieler ukrainischer Musiker, die gezwungen wurden, die Ukraine zu verlassen.

Zum Beispiel viele Frauen mit Kindern, die sich gebrochen fühlten, weil sie die Sprache nicht kannten und nicht wussten, was sie als nächstes tun sollten. Aber wir sind unzerbrechlich, denn wir haben ukrainischen Geist. Das ist die Bedeutung des Namens »Mriya« für unsere Gruppe. Die Deutschen fragen uns nach der Bedeutung des Wortes »mriya« und wir erzählen ihnen natürlich alles. Sie lesen diesen Titel auch interessant: als einen Traum vom Sieg.

 

Посмотреть эту публикацию в Instagram

 

Публикация от Mriya Ensemble in Exile (@mriya_music)

»Innere musikalische Küche«

Die Programme werden von mir erstellt. Da wir uns in Europa befinden, ist das Programm dementsprechend in zwei Abschnitte mit Werken ukrainischer und europäischer Komponisten unterteilt. Der Schwerpunkt liegt aber immer auf ukrainischer Musik, wir experimentieren ständig und fügen neue Dinge hinzu. Wir haben grundlegende Stücke, die wir immer spielen – Valentyn Sylvestrov, Myroslav Skoryk und Yuriy Shevchenko.

Die Solisten wechseln, zu den festen Größen gehören ich und die Pianistin Kateryna Titova. Wir haben ein starkes Tandem mit Kateryna, im Jahr 2020 haben wir das Suprun Titova Duo gegründet und sind gemeinsam durch die Ukraine getourt. Kateryna ist in den letzten Jahren immer wieder auf Tourneen in die Ukraine gekommen, sie ist eine starke Pianistin. Schließlich freut sich »Mriya« besonders, mit ukrainischen Solisten zu spielen, die lange im Ausland gelebt haben, und wir sehen eine besondere Bedeutung in diesen Kooperationen. Von April bis November spielten wir mehr als 30 Konzerte, darunter Auftritte in der berühmten Elbphilharmonie in Hamburg und in der Laetshalle, in der Berliner Philharmonie, im Bremer Theater, in Langenlagen, an verschiedenen Orten in Berlin und auf Musikfestivals.

Neben Konzerten mit klassischer Musik sind wir kürzlich zusammen mit »Okean Elzy« aufgetreten, die auf Deutschlandtournee waren. Wir haben ein Lied »Obiimy« gespielt und das war, ehrlich gesagt, sehr symbolisch. Alle Menschen, die sich nahe stehen, sind auf der gleichen Bühne, in der gleichen Halle – das war ein wunderbares Gefühl. Das ist die Zeit, wenn ukrainische Künstler kommen, wir fühlen uns alle wie zu Hause. Und es war so berührend, dieses Lied zu singen, weil es mit den Worten »wenn der Krieg zu Ende ist« beginnt.

Management ist eine wichtige Fähigkeit

Als Teamleiter fungiere ich auch als Konzertdirektor, d. h. ich rekrutiere Musiker und kümmere mich um organisatorische Fragen im Zusammenhang mit Proben und Logistik. Gleichzeitig kümmern sich Lev und ich auch um das Wohlbefinden der Musiker.

Natürlich ist es schwierig, denn für mich ist dieses Projekt »3 in 1«: Ich bin gleichzeitig Solist, Konzertmeister in einem Orchester und Manager.

Meine Erfahrung hilft mir sehr, denn ich habe früher ein Streichquartett »Danapris« geleitet, Projekte für Stipendien des Präsidenten entwickelt, am Projekt »Malanka« mitgearbeitet und war sowohl Musiker als auch Projektleiter des New Era Orchestra. Eigentlich habe ich dort gelernt, wie man Organisationsstrukturen für ein großes Team aufbaut. Aber selbst diese Erfahrung reicht nicht aus, ich würde mich gerne weiterbilden, um alles noch professioneller und auf höchstem Niveau zu managen.

 

Посмотреть эту публикацию в Instagram

 

Публикация от Mriya Ensemble in Exile (@mriya_music)

 

About the Author

The Claquers is a Ukrainian online magazine devoted to classical music that unites a group of music critics with the mission to foster a critical conversation about art music in Ukraine and beyond. The Claquers organization was founded in June 2020 by musicologist Stas Nevmerzhytskyi and three colleagues: musicologist Dzvenyslava Safian, music theorist Liza Sirenko, and cultural critic Oleksandr Ostrovskyi.

The publication’s provocative name suggests the context in which The Claquers was conceived. After two previous generations of proactive critics who had careers in education and cultural promotion, classical music criticism was limited to either positive reviews or no reviews at all. A fresh and uncensored eye on events in classical music life in Ukraine was needed to shake up the musical community and complete the country’s classical music ecosystem.

Unlike in western Europe and North America, art music audiences in Ukraine are much younger. The collective of writers with The Claquers is also young, and has taken on the task of explaining to these new listeners why a long tradition of classical music in Ukraine exists, and how it became a part of today’s cultural life. As a group The Claquers considers its main goals: to educate about contemporary classical Ukrainian music, to build bridges with popular culture by publishing about diverse musical genres and other arts (such as music in literature or in film), to expand the critical tools of music criticism with audio podcasts, and to cultivate audiences abroad via an English version of the website.

The Claquers was made possible by generous funding that enabled its establishment and is sustained by the generosity of donors on Patreon. This singular and engaged Ukrainian online hub devoted to classical music continues to engage people in this music and invite new authors.

Stas Nevmerzhytskyi (ФОП Станіслав Невмержицький), individual proprietor

The registration number of the taxpayer's registration card, or the series and number of the passport:
3376417436

Location of a individual proprietor:
Ukraine, 04212, Kyiv city, TYMOSHENKA STREET, building 2K, room 302
B

Date and number of entry in the Unified State Register of Legal Entities, individual proprietor and public organizations:
10/16/2020, 2000690010002052048

IBAN
UA153052990000026006036800851

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *